Chris Haughton: Oh nein, Paul!
Zum Buch:
Paul, der orange-rot-pinke Hund, und Michi, das grün-blau-türkise Menschlein, sind beste Freunde. Als Michi das Haus verlässt, bleibt Paul allein zurück, nicht ohne versprechen zu müssen, ganz brav zu sein. Wie in allen guten Märchen wird Paul vor drei Herausforderungen gestellt: Da ist der leckere lila-violette Kuchen, gefolgt von der dunkelblauen, petroläugigen Spielkamaradin namens Katze und dem zum Scharren verführenden Blumenkasten samt königsblau beblätterten Blumen. Beim Essen, Jagen und Buddeln verwüstet Paul die Wohnung, obwohl er doch brav sein wollte. Michi ist entsetzt und Paul sehr bestürzt. Er möchte alles wieder gut machen, schenkt Michi sein Lieblingsspielzeug und widersteht allen drei Versuchungen beim nächsten Spaziergang. Doch da taucht etwas Neues auf: ein interessant riechender Mülleimer. Hat Paul etwas gelernt? Das Buch endet mit einer Frage.
Die Nachfolge von Chris Haughton vielfach ausgezeichneten Buches „Kleine Eule ganz allein“ (Sauerländer 2011) bleibt der 70er Jahre Ästhetik treu. Auch hier rückt er ein wichtiges Thema des Erwachsenwerdens in Zentrum: Kann ich mich beherrschen und Bedürfnisse einer anderen Person zuliebe zurückstellen? Der Autor schafft es, die Problematik in ihrer ganzen zwischenmenschlichen Komplexität auf nur 32 Seiten darzustellen: jemandem etwas versprechen, an dem Anspruch scheitern und jemanden damit verletzen, es wiedergutmachen, verziehen werden, sich bessern, aber auch das fortwährende Entscheiden, ob man einer Verführung erliegt oder nicht.
Zum Vorlesen:
Die repetetive Gestaltung des Buches ermöglicht ein kurzweiliges, lebendiges und interaktives Vorlesen und auch freies Erzählen. Der Beschreibung jeder Versuchung folgt jedes Mal auf der gegenüberliegenden Seite die Frage des Erzählers: „Was wird Paul tun?“ Damit wird schon eine wunderbare Vorlage geliefert, um Spannung aufzubauen und in das Gespräch mit den Kindern einzusteigen. Die Antwort kommt immer prompt auf der nächsten noch farbintensiveren Doppelseite, die im Chor mit den kleinen Zuhörern gesprochen werden kann: „Oh nein, Paul!“
Mit den Kindern kann man im Anschluss diskutieren, wann sie einer Versuchung nicht widerstehen konnten, aber auch wann sie jemandem einen Gefallen getan haben und etwas nicht gemacht haben, obwohl sie es gern gemacht hätten. Thematisch sehr schön einbetten lässt sich die Geschichte, wenn der/die Vorlesende Süßigkeiten (z. B. selbstgebackene Plätzchen) mitbringt und diese offen in einem Schälchen vor die Kinder stellt. Wer möchte sofort zugreifen? Und wer kann wie versprochen bis zum Ende der Vorlesestunde warten?
Bibliografische Angaben:
Zielgruppe: 2-4 Jahre
Genre: Bilderbuch
Umfang: 32 Seiten
Verlag: Sauerländer
Jahr: 2012
Themen: Entwicklung, Umgangsformen, Versuchungen widerstehen, allein zu Hause
Redakteurin: Antje Strauß